Mike Ritter im WrestlingFever.de Interview (01.11.2007)

Mike „The Reiseleiter“ Ritter ist den WCW Fans sicherlich in Erinnerung geblieben. Er kommentierte von 1997 – 2001 die WCW Shows auf Premiere und organisierte unter anderem für die Wrestlingfans Busfahrten zu den Shows in Deutschland. Wie denkt er denn über die WCW, was macht er und die ehem. Kollegen denn heute? WrestlingFever.de führte mit Mike am 01.11.2007 ein exklusives Interview, um nicht nur diese Fragen beantwortet zu bekommen…

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WF: Zuerst einmal, herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit für Wrestlingfever genommen hast. Wie Du mir im Vorfeld mitgeteilt hast, bist Du nach wie vor sehr beschäftigt, auch wenn das Wrestling noch einen Platz in Deinem Leben zu haben scheint, dazu aber später. Was macht Mike „The Reiseleiter“ Ritter denn heute?

Mike: Ich sag mal so, mir wird nicht langweilig. Das amerikanische Wrestling verfolge ich zwar nur noch sehr am Rande, aber dem europäischen Wrestling bin ich nach wie vor sehr verbunden – vor allem natürlich durch die PWA. Ansonsten arbeite ich noch als Ringsprecher für die grossen Events der EWA in Österreich und für 2008 könnte noch das ein oder andere Projekt hinzukommen. Neben dem Wrestling – also im Hauptberuf – bin ich weiterhin für das Fernsehen tätig. Das Tätigkeitsfeld hat sich eben nur von vor dem Mikrofon auf den Bereich im Hintergrund gewandelt. Und wenn noch Zeit bleibt, kümmere ich mich um die Promotion für befreundete Party-Künstler.

WF: Man kann auf diversen Internetseiten lesen, dass Du Dich sozusagen der Partymusik widmest! Von Mickie Krause bis Peter Wackel. Wie wir wissen, ist auch das Musikgeschäft ein knallhartes. Gerade in der „Ballermann-Szene“ kommen und gehen die Stars und als Promoter, Texter etc. steht man dann ja auch unter enormen Druck – oder?!

Mike: Man kann die Partymusik-Szene durchaus mit der europäischen Wrestlingszene vergleichen. Es gibt nur wenige Profis, dafür sehr viele, die sich für die Größten halten – aber eigentlich der ganzen Branche schaden. Insofern ähnelt sich da einiges. Grundsätzlich beschränke ich mich bei der Promotionarbeit auf Künstler bzw. Produktionsteams, mit denen ich freundschaftlich verbunden bin – zum Beispiel eben auf Peter Wackel und das Hitmix.de Team. Ich bin in der guten Lage, dass ich zwar einen sehr professionellen Anspruch an mich selbst habe, aber nicht auf das Geld angewiesen bin, weil es eben nicht mein Hauptberuf ist. Ich kann mir also aussuchen, was ich mache und was nicht und habe mein Arbeitspensum in dem Bereich auch deutlich zurückgeschraubt. Also ich persönlich stehe somit nicht unter grossem Druck, aber für die Künstler ist es natürlich ein harter Job. Ich sehe die Branche allerdings im Aufschwung, denn dieses Jahr konnten sich doch einige Party Songs hoch in den Charts platzieren – Joana von Peter Wackel und Chriss Tuxi schaffte sogar den Einstieg auf Platz 39. Von den reinen Verkaufszahlen wären noch immer einige Songs aus dem Sommer in den Charts – sind es aber nicht durch das komplizierte System der Media Control. Aber es ist wie im Wrestling – auf Dauer setzt sich nur Qualität durch und der Rest kommt und geht.

WF: Brauchst Du denn den Stress?

Mike: Ja. Ich bin nur unter Druck gut!

WF: Wie kamst Du zum Wrestling, kannst Du Dich noch an Deine erste Grossveranstaltung erinnern?

Mike: An den ersten Event im TV kann ich mich nicht erinnern, nein. Das war irgendwas auf Sky damals. Es hat mir halt gut gefallen und von da an war ich gefangen.

WF: Von 1997 – 2001 warst Du als WCW Kommentator sehr beliebt, bei manchen mehr, bei manchen weniger! Dennoch verbinden die deutschsprachigen Fans mit WCW nach wie vor immer noch mit: Retzer, Kemp, Heldt und Mike Ritter. Wie kamst Du dazu, für Premiere die WCW Shows zu kommentieren?

Mike: Nic Heldt hat mich damals „entdeckt“ und zunächst für die WWF Inside Hotline verpflichtet. Dann bin ich zur World of Wrestling Hotline gewechselt und schliesslich – im Dezember 2007 zu DSF Action. Meine erste Sendung war ECW, gemeinsam mit Donelson Wardlaw, Jr. Dann kam noch Smoky Mountain Wrestling mit Peter William dazu und schliesslich bin ich dann zur WCW gekommen.

WF: Viele wissen nicht, wie Du zum Beinamen „Reiseleiter“ kamst, der sich über viele Shows dann etablierte..

Mike: Die Idee entstand, als wir für die WCW Millennium Tour Busfahrten aus 50 Deutschen Städten nach Hamburg, Oberhausen und Leipzig anboten. Wir haben uns gedacht, dass wir das ganze etwas witziger und persönlicher promoten als mit einem plumpen „es gibt Busfahrten“. Ich habe also vor jeder Sendung die aktuellen Listen der Mitfahrer bekommen und habe dann einzelne Fans genannt, die zum Beispiel aus Erfurt nach Leipzig fahren und sich dort mit Fans aus Berlin oder so treffen. Lenz hat mich dann irgendwann mal Reiseleiter genannt – und dabei ist es (bis heute) geblieben – denn schliesslich bin ich jetzt noch gelegentlich Reiseleiter bei Partyreisen24.com.


WF: Du hast sicherlich einige Wrestler der WCW treffen können. Kannst Du uns evtl. ein lustiges, in Erinnerung gebliebenes Erlebnis erzählen, sicherlich hattest Du auch Deine Favourites?!

Mike: Klar habe ich auch mit einigen WCW Stars mehr gesprochen, mit anderen weniger. Ich habe da eigentlich immer versucht, eine gewisse professionelle Distanz zu wahren und kann also nicht sagen, dass ich mit einem WCW Wrestler befreundet gewesen wäre. Der Kontakt zu Alex Wright war sicherlich etwas enger und auch heute haben wir noch gelegentlich Kontakt. Lustige Erlebnisse gabs einige, zum Beispiel mit Tom Gerhardt in Washington, der auf dem Beifahrersitz unseres Team-Vans die Karte auf dem Schoss hatte und Nic durch die Strassen von Washington lotste. Nach einer knappen halben Stunde Fahrt standen wir wieder vor der Halle und Tom wunderte sich – bis er merkte, dass er die ganze Zeit die Karte von Baltimore vor sich hatte.

WF: DSF Action, DF1 waren ein Paradies für Wrestlingfans. 24 Stunden nonstop Wrestling und die WCW PPV`s gratis! Wieso konnte man damals sämtliche Grossveranstaltungen gratis anbieten?

Mike: Das Pay TV war damals ja noch nicht so verbreitet wie heute. DF1 war da ja in gewisser Weise ein Vorreiter für vieles, was heute ganz normal ist. Mit „Millennium Final“ haben wir den ersten Wrestling Pay Per View in Deutschland angeboten und ich denke, der Trend wäre dazu gegangen, auch die Grossveranstaltungen der WCW später als Pay Per View auszustrahlen.

WF: Was, denkst Du, machte die WCW so besonders?

Mike: Nitro war sicherlich ein grosser Schritt, oder die nWo. Die WCW hat in ihrer grossen Zeit nicht versucht, die WWF zu kopieren – sondern ein eigenes Produkt abgeliefert. Ich denke, das war das Erfolgsgeheimnis.

WF: Ich möchte mal auf auf ein paar Stationen der WCW Geschichte eingehen, die Du ja miterleben konntest…

Mike: Sehr gerne, da gabs ja einiges.

WF: Wie dachtest Du damals und wie denkst Du heute über die nWo?

Mike: Das es sich so verselbständigt, hätte ich nicht gedacht. Die nWo war ohne Zweifel ein Hauptgrund für den Erfolg der WCW. Obwohl ich ja immer der „WCW Kommentator“ war muss ich gestehen, auch ein nWo Shirt besessen zu haben!

WF: Stings Verwandlung zum „Dark Warrior“ wurde über eine sehr lange Zeit thematisiert, bis es endlich zu einem Match gegen Hollywood Hogan kam. Geht man da als Kommentator nicht auch mit, wenn die beiden endlich im Ring stehen – One on One?

Mike: Wir haben natürlich auch auf dieses Match gewartet, klar. Wir wollten wissen, was passiert. Die Sting-Hogan Story war die vielleicht am besten aufgebaute Wrestlingfehde aller Zeiten. Leider erlosch das Feuer schon mit dem ersten Match der beiden.

WF: Wie hast Du den „Rauswurf“ Hogans aufgefasst und erlebt. Russo schien beim Bash at the Beach 2000 wirklich sauer gewesen zu sein. Viele glauben bis heute an ein abgesprochenes Segment der WCW. Für mich ist es ein grosser Teil der Wrestlinggeschichte….

Mike: Ich denke nicht, dass es so abgesprochen war – auf unserem Ablauf stand es jedenfalls nicht. Wir haben uns nur gewundert, warum mitten in der Show ein Titelmatch auf dem Ablauf stand. Der Rest hat uns auch schockiert. Egal wie man zu Hogan steht, er hatte es nicht verdient, so behandelt zu werden. Vielleicht hat er Verträge ausgehandelt, die ihm mehr Macht zugesichert haben, als anderen. Aber na und? Es wurde doch niemand gezwungen, diese zu unterschreiben. Hogan hat eben die Position, gewisse Dinge für sich einzufordern. Oder wie wir in Bayern sagen: „Wer ko’, der ko’“

WF: Dann wurde 2001 bekannt, dass die WWE schliesslich die WCW aufgekauft hat. Wie hast Du davon und vom Ende der WCW erfahren?

Mike: Das weiss ich gar nicht mehr genau. Ich denke mal, die ersten Infos kamen von einer Newsseite und die genaueren dann von unserem Producer. Für mich war damit aber eigentlich auch klar, dass das Kapitel WCW für mich damit beendet war. Das letzte Segment der letzten Nitro Sendung hat übrigens auch Lenz alleine kommentiert. Als „treuer WCW Kommentator“ hatte ich mich verabschiedet, als Shane McMahon in den Ring kam, während Lenz sein Fähnchen in den Wind hielt. Somit war dann auch unsere persönliche Storyline beendet – Lenz hat gewonnen!

WF: Eine Storyline, die viele evtl. nicht mehr alle so in Erinnerung haben dürften…

Mike: Lenz und ich hatten ja eigentlich über die ganzen Jahre hinweg eine kleine Fehde – waren praktisch nie einer Meinung. Und doch war es nicht klassisch heel/face. Klar, es gab WCW/nWo da war die Trennung eindeutig. Aber dann mochte ich 3 Count – obwohl die Heels waren. Oder Lenz eben Team Canada, die nix mit der nWo zu tun hatten. So hatten wir immer unsere Favoriten, mit denen wir mitgefiebert haben. Und uns immer gefreut, wenn der Favorit des anderen verloren hat oder ähnliches. Und das letzte Wort hatte eben beim letzten Nitro der Lenz.

WF: Ich weiss, dass Kommentieren auch Arbeit ist. Wieviele Stunden verbringt man als Kommentator denn im Studio, hat man denn irgendwann auch genug vom Produkt, dem man sich fast täglich widmet? Verliert man da ein wenig die Liebe zum Sport?

Mike: Die Liebe zum Sport habe ich nie verloren, sonst wäre ich ihm nicht mehr so verbunden. Durch die Classics, Heroes of the Decades, Fanpowers usw. hatten wir natürlich eine Menge Programm zu kommentieren. Das waren manchmal schon lange, harte Tage. Aber es hat auf jeden Fall immer Spass gemacht und wurde nie zur lästigen Pflicht.

WF: Die unumgängliche Frage: Was machen die damaligen Kollegen heute, stehst Du noch mit einigen in Kontakt?

Mike: Ja! Es freut mich auch sehr, dass ich mit einigen aus der damaligen Zeit nicht nur beruflich, sondern vor allem freundschaftlich weiterhin verbunden bin. Als erstes natürlich meinem „Entdecker“ Nic Heldt und meinem „Mentor“ Peter William, der mir vor allem über die Hintergründe des Wrestlings sehr viel beigebracht hat. Beiden werde ich das sicherlich nicht vergessen und ich freue mich wirklich, weiterhin mit beiden befreundet zu sein. Oliver Copp ist ja als Sportlicher Leiter auch in die PWA eingebunden, mit Bernhard Wulff habe ich weiterhin einen sehr guten Kontakt – über das Wrestling hinaus und auch mit Jason Laming bin ich noch immer gut befreundet. Auch von Lenz höre ich ab und zu etwas. Alles in allem habe ich also doch noch mit einigen der damaligen Kollegen Kontakt – was auch beweist, dass wir einfach ein extrem gut funktionierendes Team waren!

WF: Wie oben erwähnt, ging es mit WCW zu Ende. Dann kam Björn Behrens und die PWA, oder wie dürfen wir uns dass vorstellen?

Mike: Björn hat mich bei einer Veranstaltung angesprochen, bei der ich für ein Interview mit Public Enemy verpflichtet war. Bei der ersten PWA Veranstaltung war ich eigentlich „nur“ Ringsprecher, meine Aufgaben haben sich dann aber doch deutlich erweitert.

WF: Erzähle uns doch bitte mehr von der PWA und Deinen Aufgaben…

Mike: Hauptaufgabe nach aussen hin ist natürlich weiterhin die des Ringsprechers. Aber meine wichtigsten Aufgaben liegen hinter den Kulissen, vom Booking der Wrestler bis zum endgültigen Programmablauf machen Björn und ich eigentlich alles gemeinsam. Ich schreibe dazu noch die Presse- und Promotiontexte. Auch hier sind wir ein sehr gutes Team und haben in den letzten fünf Jahren eine der erfolgreichsten deutschen Promotions aufgebaut. Zusammenfassend könnte man sagen: Björn kümmert sich um Organisation, ich bin fürs sportliche Zuständig und sobald die Show losgeht ist Tony St. Clair der Chef im Ring.

WF: Der nächste PWA Event findet bald statt. In Dachau am 09.11.2007! Wie würdest Du eine Show der PWA oder der Euroszene mit dem US-Wrestling vergleichen, bzw. welche Unterschiede gibt es?

Mike: Die Unterschiede liegen vor allem im Rahmenprogramm, zum Beispiel bei der Licht und Soundtechnik. (Allerdings nur bei den TV Shows, denn was die WWE bei „normalen Houseshows“ auffährt, ist oftmals ziemlich wenig) Sportlich brauchen sich „unsere“ Wrestler nicht hinter den Amerikanern verstecken – im Gegenteil. Um einen guten RAW Main Event zu bestreiten, braucht man keine zwei guten Wrestler, sondern nur viel Zeit. Um einen guten Main Event vor 300 oder 400 Leuten zu bestreiten, braucht man zwei Wrestler, die ihr Handwerk richtig erlernt haben und mit dem Publikum umgehen können.

WF: Wie finanziert sich so ein Event, sicherlich hat man nicht soviele finanzielle Möglichkeiten und unterm Strich bleibt dem Veranstalter nicht viel, oder?

Mike: Es ist schon schwer, einen profitablen Event auf die Beine zu stellen, zumal einem die Sponsoren nicht gerade die Tür einrennen. Bisher haben wir das bei der PWA aber immer ganz gut geschafft.

WF: Mike, ich möchte Dir an dieser Stelle danken, wir sehen uns am 09.11.2007 in Dachau!

Mike: Auf jeden Fall! Ich freue mich auf den Event und hoffe, möglichst viele Wrestlingfever.de Fans begrüssen zu dürfen.

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