KOLUMNE: Ultrawrestling #7: „Ahmed, sag zehn!“ (23.06.2017)

Am 3. Juni 2017 verlor ich die GWF Loserweight-Meisterschaft bei GWF Mystery Mayhem. Mal abgesehen davon, dass ich einen Event mit diesen Namen in den Mai legen würde, konnte ich nicht wirklich froh sein, dass ich diesen dummen „Titel der Schande“ losgeworden war. Wie soll ich mich jetzt bei anderen Promotions bewerben? „Ich war mal der schlechteste Wrestler der Welt. Dann habe ich den Titel aber verloren.“ Der Zweit-Schlechteste zu sein, ist ja doppelt so dumm – und eigentlich die schlechteste Position: Man bekommt nicht mal das Rampenlicht, welches man nicht verdient.

Der Loserweight-Titel ist ein Titel, der am 21. Mai 2003 zum ersten Mal in Michigan, USA, ausgekämpft wurde. Der Verlierer des Matches (El Purpito) bekam diesen Titel zugesprochen. Zweck des Titels war es eine Plattform für Trainees zu bieten, durch die sie sich zum ersten Mal im Ring präsentieren konnten. Ebenso waren an den Kämpfen in Michigan erfahrene Wrestler vertreten, die zum Teil nicht der Kampf- oder Körpernorm entsprachen, die „das Ideal“ eines Wrestlers damals definierte. Zu klein, zu dick, zu dünn, zu alt, anderer Stil. Zum Glück hat man sich heutzutage jedoch von diesen Einheitsbrei etwas distanziert. Die GWF übernahm diesen Titel, dessen physischer Körper das Original eines alten (inaktiven) Frauen-Titel ist.

Crazy Sexy Mike und Ingo Vollenberg waren vom November 2015 bis zum Dezember 2016 mit dem Booking dieser Segmente betraut. Und bis auf 2015 fand ich das Booking bis in Frühjahr 2017 schrecklich. Dazu muss ich sagen, dass ich seit März 2015 im Berliner Büro der produzierenden Firma der German Wrestling Federation arbeite. Und ich habe und hatte die Freiheit meine Kritik auch intern loszuwerden. Doch das ist nicht meine Aufgabe. Dafür werde ich nicht bezahlt. Ahmed Chaer und Crazy Sexy Mike sind zwei sehr gute Trainer und Produzenten, und sind auch an diese Idee mit einem guten Willen rangegangen. Die Idee des Loserweight-Titels war so einzigartig und neu, dass sie in Unserem fruchtbaren Environment einfach gut durchstarten musste. Und so geschah es dann auch. Doch Anfang 2016 bekam Vincenzo Coccotti durch eine Niederlage den GWF Loserweight-Titel, was sich als sehr schlecht herausstellte. Die Persönlichkeit „Vinzenco Coccotti“ war so gut entwickelt, wurde so gut rübergebracht, dass das Publikum bei Loserweight-Titelkämpfen lauter applaudierte und begeisterter war als bei Kämpfen um die „World Heavyweight Championship“ Unserer Promotion. Wenn mehr Geld für den Schlechtesten der Schlechten ausgegeben wird und mehr Leute den Schlechtesten der Schlechten zujubbeln, als dem legitimen Schwergewichts-Weltmeister, dann läuft etwas nicht richtig. Hier sollte man im Publikum sitzen und die verschiedenen Reaktionen professionell unterscheiden und deuten.

Der lange Lauf von Vincenzo Coccotti als GWF Loserweight Champion hatte, gepaart mit anderen Ursachen, zur Folge, dass sich das Wrestling in Berlin seit einigen Monaten auf einem Plateau befindet. Vincenzo hat bewiesen, dass er kämpfen kann. Seine Rolle sollte in einer Leichtgewichts-Division spielen. Aber wenn das Publikum einen Trottel, einen Idioten und einen Verlierer wie einen legitimen Champion behandelt, dann ist etwas sehr verrückt.

Während Vincenzo Champion war, kamen, während ich Autogramme gab, Fans zu mir gerannt, und meinten, dass ihr Traum wäre einmal Loserweight Champion zu sein. Was? Der Titel würde so sehr im Rampenlicht stehen und cool sein. Was? Ein Trainee, also jemand der wenige Monate im Wrestling-Training ist und noch nicht im Ring steht, kam auf mich privat zu, und meinte, er wäre so gerne Loserweight Champion. Was? Man wäre sofort ein Star, wenn man den Titel halten würde. Was? Und genau das hat mit Verantwortung im Pro Wrestling zu tun. Stell Dir ganz einfach Hannibal Lector vor. Ein widerliches Schwein. Ein Mörder. Und nun kommt Anthony Hopkins vorbei und spielt diese Rolle so, dass Menschen anfangen sich mit Serienmörder zu identifizieren, ihre Intelligenz schätzen, sie bejubeln und sich mit dem ganzen Serienmörder-Kram zu befassen. Genau hier liegt die Verantwortung von Drehbuchautoren, von Casting-Agenten, Produzenten, Realisatoren und Schnitt-Personal und Kamera-Männern. Ein Serien- oder Massenmörder ist ein Loser. Er ist kein Held, und auch kein Monster. Die Person sieht sich vielleicht gerne so, aber sie ist nur ein elendiger Loser. Wir kennen diese IS-Idioten, die sich auch für die Ober-Helden halten, und es gerne hören, wenn sie als „Monster“ gefürchtet werden, da sie hinterrücks Kinder attackieren. Diese Attentäter sind nur Loser. Verlierer.

Ich bin jetzt 7 Jahre im Wrestling-Geschäft. Und es gab im Wrestling nur wenige Situationen in denen Tränen aus meinen Augen flossen. Einmal hatte ich eine billige Chemie-Farbe von meinen Facepaint in den Augen, ein anderes Mal hatte ich mit meinen 112 Kilo 2 Tage nichts gegessen. Das geschah vor wenigen Tagen. Ich war bei einem Training und brachte ein Horror-Workout hinter mich. Ich war völlig unterzuckert – und schließlich kam jemand mit WWE-Erfahrung auf mich zu und forderte mich zu einem WWE Tryout-Trainings-Programm heraus. Ich habe nicht aufgegeben und versucht zu lächeln. Und ich schwöre: Während ich lächelte, flossen Tränen aus meinen Augen. Aber was mich viel mehr tötete war, dass ich GWF Loserweight Champion wurde. Im Backstage flossen meine Tränen und ich war mehrere Wochen tot-traurig.

Environment – Mit dem was da ist arbeiten

Manchmal muss man mit dem was da ist arbeiten. Im Pro Wrestling gibt es wie in anderen Geschäftsfeldern natürlich sehr viele Leute, die denken, dass sie grösser und wertvoller wären, als andere Arbeiter, und als sie tatsächlich sind. Wir nennen diese Leute „Bigheads“.

Wir haben im Deutschen Pro Wrestling sehr viele Leute, die mithelfen ein gutes Produkt zu gewährleisten. Das sind aber oft auch Menschen, die nie über Jahre hinweg professionelles Verhalten erlernt haben. Die oft das Geschäft und die Arbeiter darin nicht anerkennen und vor allem Respekt nicht kennen können, da sie bestimmte wichtige Sachen einfach nicht erlebt und erfahren haben. Darum muss nicht immer das Booking an einer schlechten Entwicklung schuld sein, es laufen viele Fäden dabei zusammen.

Als Beispiel kann ich einen „Bleistifthals“ nennen, der für das Deutsche Pro Wrestling in einem Aufgabenbereich, nämlich der Medien-Produktion, sehr viel getan hat. Er ist der Schnellste in Wrestling-Deutschland, was die Produktion angeht, und technisch sehr versiert. Alle Achtung! Andererseits hat er weder professionelles Verhalten erlernt, noch hat er eine Ahnung davon, wie man diverse Geschichten in einem Wrestling-Ring erzählt und wie man sie mit Hilfe der Medien-Produktion unterstützt. Da er ein Fan ist – und ich liebe Fans wirklich sehr – hängt er natürlich mit anderen Fans ab und trägt dabei, vielleicht ohne es böse zu meinen, Dinge des Wrestling-Geschäfts von innen nach aussen. Mein Bleistifthals-Beispiel geht vielleicht in Fan-Podcasts und erzählt dort was er doch für ein toller Hecht sei und wie cool der Loserweight-Titel, also das Uncoolste überhaupt, ist. Das gepaart mit dem Unverständnis in der der Medien-Produktion eine Geschichte logisch und (andauernd) gewinnbringend zu erzählen.

Vor Jahrzehnten war es noch richtig schwer ins Wrestling-Geschäft zu kommen. Und das hatte gute Gründe. Doch heute ist es ein Geschäft der offenen Tür. Und so muss ich als Sports Entertainer mit dem arbeiten was da ist. Und dabei sind auch Amateure, große Köpfe, Fans im Geschäft, Arbeiter die eher Respekt zeigen als zu respektieren und unprofessionelle Wichser. Doch ich liebe trotzdem das Geschäft, das Pro Wrestling und vieles was mit Unterhaltung zu tun hat. Der Kern dieses Geschäfts ist mit einem guten Willen beseelt. Und ich habe gelernt, mit dem was da ist zu arbeiten. Ich liebe diese Scheiße, weil ich damit umgehen kann. Ich gehe auf das Feld und dünge es damit.

Bevor ich am 3. Juni 2017 mein Match in Berlin gewann und damit den GWF Loserweight-Titel verlor, geschah noch etwas anderes. Wir nennen das „work“. Viele Monate zuvor meldete sich der Nutzer „Adam Tulpe“ auf der Wrestling-Diskussionsplattform moonsault.de an. Ich liebe solche Diskussionsplattformen wie moonsault.de, power-wrestling.de und genickbruch.com! Ich selbst schrieb und schreibe aber nur auf genickbruch.com, weil ich da gleich so eine coole Datenbank habe. Dieser Adam Tulpe kommentierte jedoch negativ über ein Handzeichen von einer neuen Gruppierung, die sich zu dem Zeitpunkt frisch gegründet hatte. Dieses Handzeichen, der erhobene Zeigefinger, ist an sich erstmal ganz harmlos. Er kann jedoch die religiöse Aussage symbolisieren, dass es nur einen Gott gibt. An sich ist das auch sehr harmlos. Auf ein Geschäft kann sich das jedoch schlecht auswirken, wenn es das Handzeichen des Islamischen Staat (IS) ist, deren Loser-Anhänger im Zusammenhang mit diesem Handzeichen Anschläge auf Kinder begehen. Adam Tulpe bemerkte das.

Jeder hätte bemerken können, dass es sich dabei um einen Work handelte, hätte er das angegebene Geburtsdatum beachtet. Es war der „Deathday“, der Tag an dem ein Bleistifthals den vermeintlichen Schreiber dieses Accounts an die Öffentlichkeit verrät. (Erst einmal danke, an eine andere Stelle! Ich habe ein wunderschönes Geburtstagsgeschenk bekommen. Wer damit gemeint ist, weiß was ich meine und dass ich ihn meine!) Aber wie kann ich das wissen. Nun, es ist kein Geheimnis, dass Wir im Wrestling-Geschäft manchmal kurz in die Zukunft schauen können. Und ich glaube Produzenten können das ein kleines wenig mehr, müssen aber dafür den Arbeiter oft wie kleine Engelchen oder Teufelchen im Nacken sitzen. Um sie darauf vorzubereiten wie sie bestmöglich Geld verdienen können.

Ich habe gehört, dass sich einige Nutzer danach Listen von Accounts gemacht haben, um darzulegen wer welcher Pro Wrestler oder Worker sein könnte. Ich finde das süß. Tatsächlich haben die meisten Pro Wrestler einfach zu wenig Zeit, um sich in solchen Cyber-Communities anzumelden und zu schreiben. Auch wenn viele Arbeiter die Inhalte gerne lesen und lieben, und Einige in diesen Communities tatsächlich aktiv sind.

Ein paar Tage vor dem Debut der Zeigefinger-Gruppe „Rise“ hatten Wir im Büro einen Bleistifthals im Büro. Zufällig führte ich dabei ein Selbstgespräch mit ungefähr folgendem Wortlaut: „Verdammt, wie hieß ich denn nochmal auf Moonsault? Ach ja, Adam Tulpe. Aber wie war denn nochmal mein Passwort?“ Es befanden sich vier Personen im Raum. Die Frage ist nun: Warum sollte ich irgendwem nach (m)einem Passwort oder Nutzernamen fragen. Das macht keinen Sinn! Wenn nun ein paar Tage danach meine Person im Zusammenhang mit einem Nutzernamen auftaucht, ganz öffentlich, dann kann sich jeder ausmalen, wer vertrauenswürdig ist und wer „Loose Talk“ betreibt. („Rise“ debütierte ganz überraschend bei einer Lucha Underground-Kooperations-Show. Lucha Underground läuft in Deutschland auf dem TV-Sender Tele5.)

Nein, ich schreibe trotzdem nicht als „Adam Tulpe“. Aber vielleicht kennt ihr den Streit zwischen Muslimen und Christen über die Dreifaltigkeit? Wie kann Christus Gott sein, wenn er als Gott einerseits allwissend und ehrlich ist, andererseits sagt, er kenne nicht das Datum des Jüngsten Tages, sondern nur sein Vater? (Markus 13:32) Auf den ersten Blick erscheint das Paradox, aber die Lösung ist ganz einfach: Wenn Hans Hänschen einen Honigtopf verschicken lässt, oder James Jimmy, dann kann er ruhig sagen, dass er ihn nicht und doch verschickt hat. Beide Antworten sind richtig. Und Hänschen-klein oder Little Jimmy können einen Honigtopf übergeben haben, ohne deren Funktion in diesem Moment verstanden zu haben. Alles zu wissen heißt nicht, dass man alles zu jeder Zeit wissen muss oder will. Ich kann z.B. 1.000 verschiedene Cocktails zubereiten. Kann ich es jetzt? Nein. Kann ich es morgen: Ja, wenn ich mir in der Bibliothek „The Ultimate Bar Book“ ausgeliehen habe. Also nein, ich bin nicht Adam Tulpe und ich habe nicht den Zeigefinger-Kommentar auf Moonsault.de dort veröffentlicht! Wer etwas anderes sagt, der ist ein Lügner!

Unter diesen Umständen wollte ich also am 3. Juni 2017 den GWF Loserweight-Titel verlieren. Zufällig wurde kurz vor der Veranstaltung die neue TV-Show „Metaboheme“ auf Tele5 angekündigt, in der ich mitspiele. Im ersten Teaser war eine prominente Frau zu sehen, die ihren Zeigefinger erhob. Zufälle gibt es, die gibt es nicht! Und wenn es 1.000 Bleistifthälse gewollt hätten, und ein paar weniger oder mehr wollten es wohl, dann wäre ich niemals mit dem Loserweight-Titel den Entrance runtergelaufen. Es war das Peinlichste was ich mir vorstellen kann. Niemand würde als Schlechtester der Schlechten auf einer Bühne und einem langen Entrance diese Schmach ertragen wollen. Das wäre absolut dumm, unlogisch und kann nur von Bleistifthälsen kommen, die selbst diese Erfahrung noch nicht gemacht haben. Ohne es irgendjemand zu sagen schlich ich mich heimlich durch einen Nebeneingang in die Halle. Bleistifthälse wollten meine Schmach in die Hardcam (die festinstallierte Kamera, die das Meiste Ringgeschehen einfängt) hereinsaugen. Ich wollt es nicht, denn ich fühlte es. Ich kann mich auch in die Fans hereinversetzen, die gute Unterhaltung sehen wollen, aber die häufig nur Worker sehen, die sich für die Kamera interessieren. Also bekamen die Fans, die sonst nur Rücken sahen, nun mein lustiges Antlitz zu sehen.

An dieser Stelle können Wir Uns fragen, wie eine Kamera das einfangen muss und wie dieses Filmmaterial bearbeitet werden muss, um diese Geschichte und dieses Gefühl einzufangen. Wir können Uns fragen, wie ein Kommentator darauf reagieren kann, um diese Geschichte einzufangen, emotional zu vergrössern. Oder ob es nur eines von vielen Matches und Auftritten, ohne Geschichte, ohne Sinn und Verstand ist.

Die Veranstaltung GWF Mystery Mayhem 2017 und das angesprochene GWF Loswerweight-Titel-Match kann übrigens hier angesehen werden: KLICK

Wenn ich von Bleistifthälsen oder von Leuten rede, die vom Honig der Erkenntnis genascht haben, wie meine ich das dann? Will ich mich über Menschen mit bestimmten Körperformen lustig machen? Will ich sagen: „Du bist dumm und ich bin klug.“? Nein, ganz im Gegenteil. Ich mag es, wenn Wir alle Spaß haben, Geld verdienen und ich mache mich nicht über bestimmte Körperformen lustig. Ich war selbst mal ein Bleistifthals – und es war auch damals eine coole Zeit. Dann habe ich mich schön beim Catering satt gegessen und nur noch den Radiergummi vom Bleistift als Erinnerung behalten. Er erinnert mich daran, dass unbedachte Machtspielchen in einer zerbrechlichen Ökonomie, in einem Geschäft des Pro Wrestling – was ich liebe, fatale Folgen haben können.

Mit der Ausnahme von Betriebsgeheimnissen: Egal ob ich mit einem CM Jakobi (ich kenne ihn leider nicht, Wir haben Uns vielleicht zwei Mal „Hallo“ gesagt und ich habe mal auf seinem Facebook rumgestöbert), einem Ingo Vollenberg oder einem Crazy Sexy Mike spreche, das Selbe kann ich auch den jeweils anderen erzählen. Mir fällt es schwer Menschen zu vertrauen, die das nicht können. Das ist mein Environment.

Religion und Politik im Pro Wrestling

Einige erfahrene Worker raten Politik und Religion aus dem Pro Wrestling herauszuhalten. Pro Wrestling selbst und die Arbeiter haben aber alle eine eigene Position zur Politik und Religion. Ich selbst bin zum Beispiel weltlich aufgewachsen, wurde aber durch christliche Elemente beeinflusst. Ich kann sagen, dass mein Leben durch das Christentum geprägt ist. Ich arbeite jedoch täglich mit Muslimen zusammen, mit jüdischen Leuten, Schwarzen, Weißen, Gelben: Und ja, Minions essen Bananen.

Religion und Politik sind gut aufgehoben im Pro Wrestling. Denn Pro Wrestling kann, insofern damit VERANTWORTUNGSBEWUSST umgegangen wird, eine Kunstform sein, durch die Wir selbst Unser eigenes Handeln reflektieren können. Und die Betonung liegt auf „verantwortungsbewusst“. Politik und Religion war auch schon immer ein Teil des Geschäfts. Nehmen Wir nur Promotions aus den Süden der USA vor 60 Jahren. Wo die hintere Hälfte des Publikums den schwarzen Wrestler und die vordere Hälfte den weißen Wrestler anfeuerte. Hinten wurde Pepsi getrunken, vorne Coke.

Ich respektiere meine muslimischen Jungs in der German Wrestling Federation, die auch während des Fastenmonats Ramadan zum Training kommen und ohne Essen im Magen trainieren. Aber ich glaube, ich könnte auch den Nazi-Boy verstehen, der im Auto feixend Landser hört und in den Sozialen Medien so tut, als würde er sich gegen Rassismus engagieren. Pro Wrestling kann solche realen und fiktiven Szenarien verarbeiten und dem Publikum diverse Handlungsweisen anbieten und simulieren. Und natürlich gibt es auch echte emotionale Reibereien !!

Vieles ist möglich. Ich habe beispielsweise einen Worker kennengelernt, der sich früher fast nach einer Sexualpraktik genannt hat. Und Wir kennen aus der vergangenen und gegenwärtigen Wrestlingwelt genug Beispiele für ein solches Vorgehen. Manches mag, wie das Beispiel der Sexualpraktik, aus unprofessionellen Verhalten stammen, anderes hingegen ist wohldurchdachte Logik – Ein Mittel um eine Geschichte im Wrestling voranzubringen.

Wir alle kennen zum Beispiel den nXt-Headcoach Lord Tensai. Jemand der in Japan ein Superstar wurde und nun nach Amerika zurückkam. Aber war das tatsächlich eine japanische Persönlichkeit oder ein Wortspiel? Jeder hat es mit seinen Augen gesehen, aber nur wenige haben es verstanden oder formuliert. Der Name ist natürlich ein englisches Wortspiel. Wir nennen das „vibrieren“. Tensai kann zu „Sai ten“ geformt werden, was phonetisch „Satan“ entspricht. Betrachten Wir Lord Satans Persönlichkeit also nochmal, so erscheint das nicht mehr so japanisch. Man kann das natürlich auch noch anders formen/vibrieren: Tye Dillinger nutzt zum Beispiel die gleiche Logik bei seinem Entrance. Er animiert die Fans dazu „10“ zu sagen. In der englischen Sprache heißt das wohl „say ten“. Ein nXt-Stable mit deutscher Beteiligung ist SAnitY. Wrestling ist cool. Du kannst die blaue Pille nehmen und Dich auf Deinem Long John konzentrieren oder Du nimmst die rote Pille – und weisst: Du hast nur einen Slim Jim. Wenn Du die blaue Pille nimmst, dann kann Dir das auch niemand verübeln.

Am 3. Juni 2017 stand ich gegen mehrere Pro Wrestler im Ring und ich wollte meinen Titel als schlechtester Wrestler der Welt loswerden. Ich wurde aus dem Ring geschleudert und meine Gegner topedierten mich mit ihren Körpern. Wir alle waren ausserhalb des Rings. Der Referee war mein langjähriger Trainer und ehemaliger Präsident der German Wrestling Federation, Ahmed Chaer. Es war Ramadan. Ich stellte mir vor, dass mein Trainer so schnell wie möglich aus dem Ring wollte – ohne etwas im Magen. Ich selbst hatte auch kaum etwas gegessen. Ahmed zählte: „Eins“. Ahmed zählte: „Zwei“. Ahmed zählte: „Drei“… Und so ging es weiter. Bei „neun“ schaffte ich es in der letzten Sekunde mich in den Ring zu rollen. Ich hing wie Jesus am Kreuz in den Seilen. Und genau in diesem Moment passierte das Witzigste direkt vor dem Augen aller und der Kamera. Ahmed schaute mir direkt in die Augen.

Das ist eine sehr gute Logik und eine hervorragende Geschichte. Leicht verständlich. Ob Ahmed Chaer tatsächlich „zehn“ sagte, oder auf welche Weise ich sonst meinen Titel verlor, erfahrt ihr, wenn ihr Euch GWF Mystery Mayhem 2017 auf Vimeo gönnt. Ich mag niemanden da weiter spoilern. Ich kann nur verraten, dass Ahmed Chaer und ich Uns oft darüber unterhielten, warum in Filmen gegenwärtig oft das Stil-Mittel der „verbalen Redundanz“ verwendet wird. Ein Radiergummi wird vom Protagonisten benutzt, und der Protagonist sagt: „Ich habe einen Radiergummi benutzt.“ Der Grund ist ziemlich einfach. In der heutigen Zeit haben die meisten Zuschauer eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Ich meine, wenn der Teufel höchst persönlich, mit Dreizack und Hörnchen vor die rumhüpft, und Du merkst es nicht, aber es ist wichtig für die weitere Geschichte… Dann muss man es halt noch einmal aussprechen.

Vielleicht könnt ihr mir abschließend noch einen Gefallen tun. Bitte klickt auf folgendes Video. Ich möchte da gerne über 1.000 Klicks drauf haben. Nicht nur 972: KLICK

By Slinky

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