Kolumne: ONE WAY TICKET #6 – by ALPHA FEMALE

OneWayTicketHallo und herzlich willkommen zur sechsten Ausgabe von „One Way Ticket“ – by Alpha Female. Wie Du in der letzten Ausgabe lesen konntest, hatte ich das unmögliche wahr gemacht und gewann als erste Europäerin den „Queen of Stardom“ Titel indem ich die seit 2 Jahren ungeschlagene Nanae Takahashi besiegte. Die Japaner waren geschockt! Eine große blonde Ausländerin mit Tattoos kommt und besiegt die Vorzeigeathletin des japanischen Wrestlings.

Der Gewinn brachte mir viel Aufmerksamkeit, ich musste ein Interview nach dem anderen geben, konnte mich in den Sport Nachrichten wieder finden und angesehene Menschen von Film, Sport und TV wollten mich kennen lernen. Mein Terminplan war voll und ich genoss jede Minute. Ich wurde ausgeführt ins bekannte „Ribera Steak“ House wo Fotos vieler Wrestler als Erinnerung an den Wänden hängen UND ich konnte auch eine der begehrten Jacken abgreifen. Zudem wurde ich zum Skytree, Tokyo Tower und Disneyland eingeladen.
Das Interesse der Fans war auch sehr groß und ich wurde immer wieder für Fotos angehalten.

Masahiro & Martina Chono
Ein Termin der sich als besonders für mich herausstellte war das Treffen mit Masahiro Chono in seinem Bekleidungsgeschäft „Aristrist“. Ich lernte die Legende persönlich kennen, denn es war eine Pressekonferenz angesetzt. So wurden wir von ca. 15 Pressevertretern in seinem Shop willkommen geheißen und man hielt eine kurze Rede. Ich verstand kein Wort und alles war irgendwie für mich so verwirrend und steif. Nachdem die Presse gegangen war, führte mich Mr. Chono Backstage, wo seine Frau Martina auf mich wartete. Sie ist eine Deutsche die vor ca. 10 Jahren mit ihrem Mann nach Japan gegangen ist. Wir verstanden uns auf Anhieb und plauderten wie Maschinengewehre auf Deutsch los. Es war großartig und mittlerweile ist eine Freundschaft daraus entstanden!

Alpha Female & Masahiro Chono

Neue Herausforderung
Zwei Monate später, am 29.04.2013, sollte ich schon meine erste Titelverteidigung bestreiten. Angesetzt war dieser Kampf in der bekannten „Sumo Hall“. Das letzte mal. dass eine reine Frauen Liga in dieser Halle veranstaltete war viele Jahre her. Das ich im Main Event stand, war eine große Sache! Es hieß also bis dahin wirklich viel Promotion Arbeit zu machen. Meine Herausforderin war Io Shirai, eine junge aufstrebende High Flyerin. Die Hoffnungen wurden alle auf sie gesetzt. Während sie also die Leute mit ihren Charme in die Halle bringen wollte, machte ich meine Promotion auf „Bad Ass“ und griff immer wieder in ihre Matches ein, beschimpfte die Fans und gab schimpfwortreiche Interviews. Das war definitiv ein Kampf den die Leute sehen wollten, obwohl die Fans die Chancen von Io Shirai sehr gering einschätzten.

Der Titelkampf
Dann war der große Tag gekommen, jeder fühlte: „Das ist etwas besonderes!“. Am Eingang waren lebensgroße Aufsteller von uns und Merchandise-Tische aufgestellt. An diesem Tag sollte auch eines der Stardom Mädchen ihren letzten Tag haben. Es war also auch eine Art Museum für sie aufgestellt (mit Schaufensterpuppen, die einige ihrer Kostüme trugen). Alles war so super professionell. Deswegen bin ich auch der Meinung, dass es Stardom geschafft hat, zur besten Frauen Wrestling Liga der Welt zu werden. Ich war super nervös an diesen Tag. Es kamen 5000 Fans und obwohl ich schon vor einem größerem Publikum gekämpft hatte, war es einfach unbeschreiblich – etwas ganz besonderes. Ich hatte meine Monster Team Kollegen Kimura und Hailey Hatred mit mir, sie sprachen mir Mut zu und halfen mir bei was immer ich brauchte.

Erst hatte die Herausforderin Io Shirai ihren Auftritt und die Leute liebten sie. Danach spielte meine Musik. Mein Herz pumpte, ich fühlte meinen ganzen Körper vibrieren, ich trat in das blaue Licht mit meinem Champion Gürtel, meiner deutschen Fahne, meinem Team im Rücken. Ich ließ alles auf mich wirken, machte eine große Runde und stieg in den Ring. Unsere National Hymnen wurden gespielt. Als die deutsche Hymne erklang überkam mich ein unendlich stolzes Gefühl, all meine Bemühungen, als meine Probleme, der steinige Weg, der Hunger, der Schmerz, die Einsamkeit – alles das war nicht mehr von Bedeutung. Das war mein Moment und mein Herz war voller Feuer. Es war DIESER eine Moment, die Scheinwerfer auf mich gerichtet, meine Nationalhymne, den Champion Titel auf meinen Schultern in einer ausverkauften Halle mit Kameras auf mich gerichtet, voller Stolz. Ich war bereit zu Kämpfen. Der Kampf war intensiv, Schläge, Tritte, Würfe, Schmerz und Hoffnung – Bis zu gefühlte 100 Tritte trafen auf meinen Kopf und dann ging das Licht aus….

… Die Musik spielte aber es war nicht meine, der Jubel galt meiner Gegnerin. Sie hatte mich entthront. Ich wurde von meinen Team Kollegen Backstage gebracht, bitter enttäuscht wollte ich niemanden sehen und lehnte das Interview nach dem Kampf ab

Entäuschung
Mir war zum heulen, mein Kopf schmerzte, ich war am Boden zerstört. Der Tag danach war nicht viel besser, überall wurde ich wieder und wieder auf meine Niederlage angesprochen, es war im TV zu sehen und überall (im Internet und am Telefon, das ununterbrochen klingelte) wollte man mich aufmuntern. Vergebens.

Einen Tag später saß ich auch schon wieder im Flugzeug nach England. Angekommen holte mich keiner ab und es regnete, natürlich. Aber eine Alpha Female lässt sich nicht so einfach aus der Bahn werfen! Noch als ich in Japan war suchte ich mir eine Wohnung in Swindon, England und konnte auch direkt dort einziehen, Die Leute im Haus waren ganz in Ordnung., mein Zimmer war natürlich nicht annähernd so toll wie mein Apartment in Tokio aber dennoch besser als die letzte Bleibe die ich in England hatte. Ich hatte einen Plan, ein Ziel und einen Lichtblick. Der Promoter von Stardom fragte, ob ich für 12 Monate nach Japan kommen möchte und das Angebot nahm ich auch an. Doch erstmal blieb ich für weitere 3 Monate in Swindon.

Es geht auch ohne WWE
Mein Plan war es in „Shape“ zu kommen, noch in England einen Eindruck zu hinterlassen und Sponsoren zu finden mit dem Ziel im Auge die beste Wrestlerin in Europa wenn nicht sogar der ganzen Welt zu werden. Ich möchte den Leuten beweisen, dass man nicht unbedingt die WWE braucht um vom Wrestling leben zu können. Das Glück war auf meiner Seite, meine harte Arbeit zahlte sich aus und so konnte ich als erstes ein Fitnessstudio finden dass mit sponserte, das Kiss Gym. Dort konnte ich also 24/7 trainieren gehen und es sollte noch besser kommen „Myprotein“ fand mich toll und entschied sich dazu mich zu unterstützen mit Free Protein und Supplementen.

Aber auch mit dem Wrestling hatte ich eine Glückssträhne und so konnte ich mir viele Bookings bis zur meiner endgültigen Abreise sichern. Ich lernte zwei richtig coole Kerle kennen, Smudge und Robbo. Beide lebten ungefähr eine Stunde von mir entfernt und waren Promoter von Pro Evolution Wrestling. Sie betrieben auch eine Wrestlingschule und fragten mich, ob ich das Training für die jungen Leute leiten würde. Smudge und Robbo waren absolut Weltklasse zu mir und haben mir unendlich geholfen. Sie waren für mich da, hätte ich beide schon das Jahr vorher kennen gelernt, wäre ich ganz sicher nicht durch soviel Leid gegangen.

Bevor ich dann endgültig nach Japan gegangen bin, haben sie meine Sachen (die ich nicht nach Japan nehmen konnte) in ihrer Lagerhalle untergestellt. Jetzt nach über einem Jahr sollte ich mich mal darum kümmern diese abzuholen. Neben all dem Glück mit den Sponsoren und der Möglichkeit im Ring zu arbeiten, hatte ich auch das Glück, dass mir ein Team folgte, dass eine Dokumentation über Frauen Wrestling in England drehte. Ich habe das Team in Preston bei Pro Wrestling Eve kennen gelernt und seitdem sind wir im Kontakt geblieben. Der anfängliche Gedanke vom Team eine Dokumentation über Frauen Wrestling insgesamt zu berichten hatte sich gedreht und wurde zu einem Bericht über die Alpha Female.

Sie haben viele Interviews mit mir über meine Vergangenheit, Gegenwart und die Zukunft geführt, sie besuchten mich in London und Swindon, filmten mich bei diversen Auftritten und während des Trainings. Die Dokumentation wird voraussichtlich Ende 2014 im Kino erscheinen, ich kann es selbst kaum erwarten das fertige Material zu sehen. Drei Monate in England gingen sehr schnell rum und wieder fand ich mich dabei wie ich meine Sachen zusammen packte und mich auf den weg in eine ungewisse Zukunft machte. Eine Ausländerin in Japan zu sein birgt Schwierigkeiten, eine Wrestlerin die nur mal für ein paar Wochen nach Japan geht wird anders behandelt als eine Wrestlerin die sich dazu entschließt länger zu bleiben. Anforderungen steigen und wie sich alles verändert, erfährst Du in der nächsten Ausgabe von „One Way Ticket“ by Alpha Female auf www.WrestlingFever.de

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