Gagen: Wieviel Geld verdienen Pro Wrestler in Deutschland?
Pro Wrestling ist ein Geschäft. Es gibt in Deutschland auch Wrestling-Veranstaltungen, die sich finanziell nicht lohnen und in dessen Organisationen passionierte Promoter Jahr für Jahr ihr privates Geld reinstecken. Aber letztendlich ist Pro Wrestling ein Geschäft. Spaß hat auch seinen Platz, doch am Ende will der Promoter einen Gewinn erwirtschaftet haben und die im Event involvierten Arbeiter wollen entlohnt werden. Doch wieviel verdient eigentlich ein Pro Wrestler in Deutschland?
Die Frage nach dem Verdienst der Pro Wrestler lässt sich leicht beantworten: Pro Wrestler in Deutschland sind in den meisten Fällen Freie Mitarbeiter, die jeweils pro Auftritt individuelle Gagen mit den Promotern aushandeln bzw. von ihnen eine Aufwandsentschädigung erhalten.
Außer dem Promoter, den einzelnen Pro Wrestler und dem Finanzamt kann Euch also niemand sagen, wieviel der einzelne Pro Wrestler verdient. Es gibt in diesem Geschäft keinen Mindestlohn, genau wie es keine Ausbildungsbescheinigung als Nachweis für die eigene Professionalität gibt.
Manchmal wird über die Höhe von Gagen spekuliert, öffentlich und auch intern-geschäftlich, tatsächlich weiss darüber aber nur der einzelne Promoter und der einzelne Arbeiter bescheid. Es mag auch Promoter und Arbeiter geben, die mit anderen Geschäftspartnern über die Gagen reden, oft flunkern, um mehr oder weniger Geld für die geleistete Arbeit zu „ergaunern“. Doch wird über Gage offen geredet, dann ist das meistens Spekulation.
Gleiche Arbeit – Unterschiedliche Bezahlung
Für Promoter und Arbeiter ist es auch sehr gut, dass Gagen bzw. Aufwandsentschädigungen im Unterhaltungsbereich individuell und nicht-öffentlich ausgehandelt werden. Professionelle Arbeiter wissen was sie wert sind, welche Ausbildung sie genossen und welche Erfahrung sie gemacht haben. Bei jedem Handwerker ist das ähnlich: Bist Du gut ausgebildet und hast Arbeitserfahrung, kannst Du Deinen Lohn anders und höher aushandeln, als die Person, die gerade von der Schule kommt, und nach einer Aushilfsstelle oder einem bezahlten Ausbildungsplatz sucht.
Die Gage ist aber auch eine Frage der eigenen Positionierung. Diesbezüglich kann ich ein Beispiel aus der Filmbranche nennen. Kollegen erhielten ein Jobangebot für genau die gleiche TV-Schauspiel-Rolle. Der eine Kollege positionierte sich als Kleindarsteller/Komparse, der andere Kollege als Pro Wrestler mit Schauspielerfahrung und der nächste Kollege als ausgebildeter Stuntman. Die Produktion sendete drei Mal jeweils das Gleiche Rollenangebot mit einer anderen „Berufs-Bezeichnung“ und unterschiedlicher Gage heraus. Für komplett die gleiche Tätigkeit – und die tatsächlichen Fähigkeiten der Kollegen ähnelten sich auch sehr.
Mal abgesehen davon, dass bei einer Verhandlung nichts feststeht, kann man sich vorstellen, wieviel Neid und Missgunst erweckt werden kann, wenn die verschiedenen Arbeiter von den unterschiedlichen Angeboten für die gleiche Arbeit erfahren. (Wobei aus unterschiedlichen Positionen „gleiche Arbeit“ auch nicht eingeschätzt werden kann.) Auch darum sprechen Arbeiter im Unterhaltungsbereich gewöhnlich nicht über Gagen.
Unterhaltungsqualität lässt sich übrigens schlecht messen. Wrestling-Promoter in Deutschland buchen daher oft „mathematisch“ oder willkürlich. Praktisch lässt sich trotzdem messen, ob jemand „zieht“ – ob wegen der Ankündigung eines Pro Wrestler Eintrittskarten verkauft werden. Und das ist zur Zeit die hauptsächliche Einnahmequelle deutscher Wrestling-Promoter. (Ich meine nicht Wrestling-Organisationen, die ihre Shows an Promoter verkaufen. Das ist etwas anderes.)
„Dafür werde ich nicht bezahlt“
Ich selbst arbeite seit März 2015, seit 28 Monaten, in Vollzeit im Berliner Büro der German Wrestling Federation. Von April 2015 bis März 2016 arbeitete ich in der Produktion und der Produktionsassistenz mit Highjakka zusammen. Und Wir beide verwendeten ironisch gemeint jeweils einen Slogan: „Dafür werde ich nicht bezahlt!“ und „Das ist nicht mein Arbeitsbereich!“.
Denn tatsächlich übernahmen Wir alle Tätigkeiten, die Uns übertragen wurden, sehr professionell. Wir arbeiteten selbstverantwortlich und verwirklichten innerhalb der Produktion, unter Crazy Sexy Mike und Ahmed Chaer, zusätzlich auch eigene Projekte. Ich selbst sehe diese Zeit als eine Ausbildung an. Ähnlich wie ein Arbeiter im Ring viele Jahre braucht, ehe er sich als Pro Wrestler bezeichnen sollte, braucht es auch eine Weile ehe man sich als Produzent bezeichnen sollte.
Vor meiner Zeit im Pro Wrestling habe ich ähnliche Veranstaltungen organisiert. Kleine Veranstaltungen mit bis zu 500 Teilnehmern, große mehrtägige Kongresse und auch Veranstaltungen mit bis zu 30.000 teilnehmenden Personen. Diese bewegten sich aber zum grossen Teil im unkommerziellen Sektor. Für mich ist die Arbeit bei den Chaer-Brüdern darum sehr interessant: Ich konnte sehen wie man Veranstaltungen monetarisiert. Nicht nur im Produktionsbereich muss man das lernen, um von seiner Arbeit leben zu können, sondern auch als Pro Wrestler. Aber davor kommt noch so viel mehr!
Du solltest als Pro Wrestler Dein eigenes Arbeitsgerät und Deine eigene Arbeit kennenlernen. Mein Job ist es Tickets zu verkaufen und mir einen Namen zu machen. Tickets verkauft man mit gut beworbenen Shows und wenn auf dem Flyer Dein Name drauf ist, was ist dann so naheliegend als den Flyer zu verteilen? Werbung ist ein elementarer Arbeitsschritt im Pro Wrestling, und Trainees sollten jede Facette davon verstehen und werben. Dafür wird Dich auch niemand bezahlen, denn es ist Teil der professionellen Ausbildung. Um das eigene Arbeitsgerät kennenzulernen, ist es üblich, dass ein Trainee den Ring auf- und abbaut. Wer das nicht als sein Arbeitsbereich ansieht – oder sich als zu gut für diese Aufgabe empfindet, der kann gerne nochmal überdenken, was selbstverantwortliche Arbeit bedeutet. Und Pro Wrestler zu sein heißt selbstständig und selbstverantwortlich zu arbeiten.
Viele Trainees positionieren sich in Deutschland auch viel zu schnell als Pro Wrestler. Es gibt keine geregelte Ausbildungszeit im Pro Wrestling, aber ich finde ideal sich erst mit mindestens sieben Jahren regelmäßiger Ringerfahrung als Pro Wrestler zu positionieren. Professionalität hat auch viel weniger etwas mit dem Talent im Ring oder im Wrestling-Geschäft zu tun. Viel mehr geht es dabei um das eigene Verhalten. Professionalität lässt sich auch nicht steigern. Aber ich stimme zu, dass es unterschiedliche Bereiche gibt, in denen man sich professionell verhalten kann. Und manchmal gibt es auch mehr als einen professionellen Weg.
Die Frage der Gage ist auch sehr nachrangig. Ich bin der Meinung, dass es eine gute und professionelle Einstellung ist, wenn man einfach jemanden aushilft – ohne eine Belohnung zu erwarten. Alle wissen, dass alle essen müssen, dass alle irgendwo schlafen müssen, und dass auch etwas Benzingeld oder der Rentenversicherungsbeitrag gut ist. Und letztendlich wird auch Nahrung zu Dir kommen, Du wirst einen Schlafplatz erhalten und auch Geld für Benzin und die eigene Rente ist mit guten Willen und guter Arbeit im Wrestling-Geschäft möglich. Allerdings nicht, wenn ein Haufen aufgebrachter Hühnchen hektisch und missgünstig nach den Körnern im Sand pickt. Wer ernsthaft „Das ist nicht mein Arbeitsbereich!“ oder „Dafür werde ich nicht bezahlt!“ sagt, der versteht, ist gut beraten sein Verhalten noch einmal zu überdenken – besonders da dieses Geschäft in Deutschland aus einem „Bust“ (engl. für: Pleite) kommt und man mit übertriebenen Gagenforderungen und entsprechenden abgehobenen Verhalten die zarten Gewächse eines aufstrebenden Geschäfts kaputt machen kann.
Gagen sind Mathematik
Gagen, und vor allem gestaffelte Gagen, sind auch mehr als „Mathematik“ zu verstehen. Der Begriff beschreibt, dass man berechnen muss, was ein Engagement von verschiedenen Arbeitern und die unterschiedliche Höhe von Gagen bewirkt. Man kann z.B. ausrechnen, dass wenn man vier oder fünf Talente aus einer Wrestlingschule bucht, dass man dann als Veranstalter günstiger mit den Reisekosten wegkommt. Wenn man langjährig aktive Arbeiter engagiert, kann man sich ebenso ausrechnen, dass diese etwas Positives für das Geschäft tun wird – vielleicht neue Talente ausbilden oder vermitteln. Bei neuen Arbeitern kann das anders sein, denn man weiß nie, ob sie es ernst meinen – und wen kennen sie schon? Was machen sie produktiv für das Geschäft?
Man sollte auch beachten, dass Pro Wrestler in Europa immer seltener „ziehen“. Nicht sie sorgen für den Kartenverkauf, sondern die Promotion der Show. Das wird auch knallhart gemessen, obwohl, wie z.B. in den USA bei den Fernsehquoten, die Messung nur eine grobe Tendenz widerspiegelt.
Wenn sich Arbeiter auf ihren Ruhm ausruhen und keine zusätzlichen, vermeintlich unbezahlten Arbeiten übernehmen, dann werden sie mit der Zeit keine Karten verkaufen – nicht „ziehen“. Langfristig wird bei dem gleichen Einsatz von Geld- und Werbemitteln der Kartenverkauf auch zurückgehen.
Ich selbst habe das Ticketing der German Wrestling Federation von März 2015 bis März 2017 komplett allein bewältigt. Später auch mit Aufschaltung von EVENTIM, einen Online- und Konzertkassenhandel für Show-Tickets. In dieser Zeit habe ich auch einen grossen Teil der Online-Werbung verfasst. Und ich konnte sehen, welche Effekte z.B. einer Wrestler-Ankündigung auf die Ticketverkäufe hatten und haben. D.h. ich habe grob die Fähigkeit erworben, zu berechnen welcher Wrestler wie gut Tickets verkauft. Und mit Experimenten konnte ich das auch überprüfen.
In Polen gibt es z.B. einen sehr talentierten weiblichen Superstar namens Bianca. Die Herausforderung mit dem Ticketverkauf war jedoch, dass überhaupt niemand Bianca in Deutschland kannte. Und dem entsprechend auch keine Tickets „nur um sie allein zu sehen“ kauft. Im Pro Wrestling sind Frauen im Kommen, es wird viel in sie reingesteckt. Aber das allein verkauft noch nicht unbedingt Tickets.
Ich habe mich also hingesetzt und fertig produziertes Material von und mit Bianca mehrere Stunden in Sozialen Medien verteilt. Der Effekt war, dass an den zwei Tagen nach diesem Verteilen (ohne andere Einflüsse) der tägliche Ticketverkauf für den entsprechenden Event mit Bianca sich verneunfacht hatte. Und das kann auch jeder ohne grosse Mathematik-Kenntnisse berechnen: Das Ergebnis war bares Geld. Viel bares Geld !!
In Deutschland gibt es große Booking-Strukturen. Jeder will da mitspielen und ohne viel Ahnung kreativ sein. Aus dem Pro Wrestling entstandene Promoter-Strukturen sind jedoch sehr porös, unterbesetzt und gering an der Anzahl. Und was ich getan hatte, war nichts anderes als eine Tätigkeit eines Promoters zu übernehmen. Genau das ist Arbeit, die auch jeder freiberufliche Pro Wrestler übernehmen kann. Direkt wird solche Arbeit nicht bezahlt – aber indirekt wirkt es sich auf das gesamte Geschäft positiv aus. Und ähnlich sieht es auch mit vielen anderen Tätigkeiten im Pro Wrestling aus. Ein guter Pro Wrestler unterstützt selbstverantwortlich die Strukturen der Unterhaltung. Ohne direkte Belohnung zu erwarten.