Ende April 2017 nahm ich an der Veranstaltungsreihe „Catch und Kultur“ von German Stampede Wrestling (GSW) und European Wrestling Promotion (EWP) teil. Neben vier Wrestling-Veranstaltungen, mit unterschiedlichen Konzepten, gab es einen gut besuchten Flohmarkt und eine Buch-Lesung. Dieses kleine Festival, und die Reaktionen darauf, gibt mir Anlass mehr über professionelle Geschäfte und Verhalten zu reden.
Deutsches Pro Wrestling vor Transformation
Ich finde sehr wichtig zu erwähnen, dass das Deutsche Pro Wrestling im Moment vor einer Transformation steht. Die Veränderung von einer Hobby-Sportart zu einem professionellen Gewerbe. Diese Transformation kann scheitern, sie kann aber auch dafür sorgen, dass sehr viele Leute (mehr) vom Pro Wrestling leben können.
Wenn ich mich bei einer Promotion bewerbe und ein Booker an mir Interesse hat, dann vereinbare ich nicht nur meine Gage, sondern ich handle auch aus – oder lasse es von einem Vermittler aushandeln – wie ich zu dem Event hin- und wieder zurückkomme, wer die Fahrtkosten übernimmt, ob und wie ich über Nacht untergebracht bin. Welche Möglichkeiten es vor Ort gibt. Ich handle aus, wie es mit der Verpflegung vor Ort aussieht, ob ich Catering bekomme, etc.! Wenn ich das nicht mache, dann würde ich ins Blaue hinein arbeiten. Das wäre wenig professionell oder manche professionelle Arbeiter können sich damit arrangieren.
Viele Promoter versuchen natürlich Kosten zu sparen. Fünf Wrestler werden beispielsweise aus der gleichen Region gebucht und in ein Auto gepackt, was Reisekosten spart. Oft wird dann auch keine Unterkunft gebucht und die Worker fahren nach der Show wieder gemeinsam zurück in ihre Region. Man muss verstehen, dass sich der Regel der professionelle Booker einer Promotion an den Promoter wendet, wenn es nicht wie in Deutschland üblich die gleiche Person ist, und erfragt wieviel denn ein Wrestler an Ticketverkäufen einspielen wird. Wenn ein Wrestler zehn Tickets a 20 Euro zusätzlich verkauft, durch seine Ankündigung, kann man grob sagen, dass er ca. 200 Euro wert ist. Darin enthalten ist dann natürlich der Gewinn der Promotion, die anteiligen Kosten für die Ringmiete, die anteiligen Kosten für die Hallenmiete, die Kosten für die Verpflegung, die Reisekosten und die Kosten für ein Hotel. Wenn Wir von diesen 10 zusätzlich verkauften Tickets also 50 Euro für ein billiges Hotelbett,60 Euro Reisekosten pro Person (sehr untertrieben), die Gage und 10 Euro für das Catering und die anderen Kosten abziehen, dann bleibt kein Gewinn für die Promotion übrig.
D.h. wer 10 Zuschauer zusätzlich zieht, der braucht eigentlich nicht gebucht zu werden. Denn es lohnt sich für die Promotion nicht. Preiswert ist es natürlich auf regionale Talente zuzugreifen. Da die Reisekosten sehr gering gehalten werden und normalerweise keine Logis bezahlt werden muss. Schauen Wir Uns doch mal an wie viel ein halbes Dutzend internationale Talente, teilweise aus dem Fernsehen bekannt, aus den Niederlanden und der USA bei „Catch und Kultur“ zusätzlich gezogen haben. Laut der Internetdatenbank genickbruch.com keinen einzigen zusätzlichen Zuschauer.
Ganz sicher ist diese Rechnung FALSCH. Denn was bedeutend für die Zuschauerzahlen ist, sind in den wenigsten Fällen die Wrestler selbst. „Catch und Kultur“ hat belegt: Den großen Teil der Arbeit machen die Promoter. Das Wrestling und die Wrestler selbst sind der Content, der die promoteten Veranstaltungen auffüllt. Wie gesagt, es gibt auch seltene Ausnahmen. Ich selbst bin schon vor 5.000 Zuschauern LIVE aufgetreten – und der Promoter, nicht ich, hat die 5.000 Zuschauer angelockt. Und ich war auch schon im Fernsehen zu sehen. Aber nicht ich habe die 870.000 Zuschauer damals angezogen, es waren die Produzenten des Fernsehsenders. Natürlich biete ich selbst sehr interessanten Content. Und ich kann wie ein Soldat ohne Widerspruch arbeiten. Das ist gegenüber dem unprofessionellen Arbeiter mein Vorteil.
Gehen Wir zurück zu Catch und Kultur: Ich war überrascht über das gute Catering. Es gab u.a. leckeren Kuskus, diverse Nudelsalate und einiges mehr zu essen. Kaffee, Milch, Tee und Mineralwasser gab es zu trinken. Das hatte mich sehr überrascht und gefreut, denn ich hatte das eigentlich nicht vereinbart. Es war ein Bonus. Die meisten Pro Wrestler kümmern sich sowieso selbst um ihre Verpflegung, viele bringen ihre Proteinshakes und trainingsspezifische Nahrung mit. Besonders Anfänger (Rookies) vergessen sich aber selbst zu verpflegen.
Ich habe aus den Medien erfahren, dass sich jemand, der 4 oder 5 Jahre im Geschäft ist, sich darüber beschwerte, dass er kein Softdrink beim Catering bekommen hat. Ich weiß nicht, was er mit dem Promoter vereinbart hatte. Aber ich persönlich würde lieber schweigen. So stärkt man keine Promotion und das ist sicher auch keine Empfehlung für andere Promotions, für die man zukünftig arbeiten möchte. Das Schlimme ist, dass sich durch so ein Verhalten auch Fans mit anstecken lassen. Die Konsequenz ist Negativität und Lästereien gegenüber der Promotion. Wir reden hier nicht über Ribbing, sondern darüber, dass Worker (Promoter, Wrestler, Ringcrew) aus Arbeit gebracht werden können.
Am Aushang im Backstage von „Catch und Kultur“ konnte ich genau sehen, gegen wen ich wann antreten musste. Und ich hatte vereinbart, dass ich an dem Abend kämpfen würde. Dass es dann zwei Kämpfe wurden, das hat mich positiv überrascht. Was andere vereinbart haben, ob „kämpfen“, „ein Kampf“ oder „zwei Kämpfe“ oder „einen speziellen Gegner“, weiß ich nicht. Klar, letztendlich geht es um Geld. Aber für eine Promotion, wo man offensichtlich nicht für steigende Zuschauerzahlen sorgt, wo man keinen zusätzlichen Ticketverkauf verursacht, kann man sich auch mal arrangieren und diese Promotion unterstützen. Ich meine letztendlich will man ja auch wie ein Kämpfer dastehen – und nicht wie eine Muschimaus, die nicht kämpfen will, weil sie keinen Softdrink bekam.
Aus den Medien habe ich auch die Aussagen einiger (ehemaliger) Organisatoren mitbekommen. Letztendlich muss dabei bedacht werden, dass es sich bei diesen – aus finanzieller Sicht – um Amateure handelt. Es gibt in Deutschland ein paar hauptberufliche Wrestling-Promoter, aber diese Organisatoren haben vermutlich alle einen andere Haupt-Arbeit und ein auf diese Arbeit ausgerichtetes Privatleben. Und genau für diese Leute könnte sich die Frage stellen, ob sie das weiter als Hobby machen wollen – dann sind viele ihrer Einwände natürlich richtig – oder ob sie das Promoten von Wrestling-Events hauptberuflich/(finanziell) professionell machen wollen. Keine der beiden Entscheidungen ist falsch. Um aber eine Transformation des Deutschen Pro Wrestling zur Professionalität zu schaffen, sollten Wir aber den Weg zu den hauptberuflichen Promoter und hauptberuflichen „Pro Wrestler“ wagen.
Harte Arbeit zahlt sich aus
Ich assistiere HAUPTBERUFLICH in der Produktion von Wrestling-Events und produziere auch selbst Medien in diesem Bereich. Fast rund um die Uhr arbeite ich für mich und das Geschäft des Pro Wrestling – und ich habe dadurch mein ganzes Vermögen aufgebraucht. Obwohl ich selbst catche und in Deutschland eine Krankenversicherung eigentlich gesetzlich geregelt ist, war ich beispielsweise über 5 Monate nicht krankenversichert und wurde von staatlichen Sozialleistungen ausgeschlossen. Ich glaube, ich sollte mir da erstmal einen Softdrink gönnen. Ich stehe übrigens auf Coca Cola. Ich liebe diese gut gekühlte Erfrischung!
Ein großes Lob haben sich übrigens die Frauen und Männer der European Wrestling Promotion verdient, die bei „Catch und Kultur“ sehr hart gearbeitet haben. Ich kann nur jeden Promoter solche hart arbeitenden und stützenden Leute zu buchen! Ich denke, diese harte Arbeit wird sich auszahlen! Ich kann dazu auch eine interessante Geschichte erzählen:
Vor einigen Monaten drehte ich als Bodydouble für einen Hollywood-Film. Ich darf nicht darüber sprechen, für wen ich das Bodydouble war und wie die Produktion heisst, aber da hat sich die Arbeit für mich sehr ausgezahlt. Da ich im Moment den GWF Loserweight-Titel trage, „der schlechteste Wretsler der Welt“ bin, dient meine Körperform dieser Storyline. Für den sportlichen Aspekt ist es schlecht und mit einen fetten Bauch und weniger trainierten Körper kann man sich schlechter als Sportler verkaufen. Obwohl das zu einer Wrestling-Geschichte, zu einem Gimmick, gehört, erkennen das selbst andere Wrestler nicht, was meiner Karriere dann manchmal im Weg steht.
Ich hatte schließlich aber sehr viel geschäftliches Geschick. Eine Hollywood-Produktion suchte ein Bodydouble für einen Schauspieler mit Bauch, der also in etwa meine Körpergröße und Körperform hatte. Ich kann jetzt schon sagen, dass ich mit einen dicken Bauch an einen Tag mehr verdient habe, als ein muskelbepackter Worker mit Pro Wrestling in einem Jahr.
Also drehte ich einen Tag als Bodydouble. Eigentlich musste ich nur mit einem Handtuch bekleidet durch Räume gehen und mich hinsetzen. Ein Drehtag. Den entsprechenden Hollywood-Schauspieler traf ich auch und Wir tauschten Unsere Nummern aus. Und ich habe es nicht verstanden, warum er das nicht selbst spielt. Daran war nichts Peinliches und meine Kosten hätten gespart werden können.
Also habe ich ihn angerufen, mich bedankt, und ihn gefragt, warum er das nicht selbst spielt. Die Antwort hat mich überrascht. Einerseits spart die Produktion dadurch Kosten. Für den Hollywood-Schauspieler braucht keine hohe Gage für den Drehtag gezahlt werden. Es geht nur um die Bilder, wo kein Gesicht zu sehen ist. Und die andere Sache ist, und die ist sehr wichtig, die Produzenten und der Schauspieler kennen selbst den Kampf. Wie hart es am Anfang ist, im Unterhaltungsbereich von seiner Arbeit leben zu können. Er fragte mich: „Was hast Du mit dem Geld gemacht?“ Und ich sagte ihm, dass ich mir davon ein Auto gekauft habe. Mit Hilfe meiner Familie und kleineren Jobs im Business kann ich mir auch den Unterhalt leisten. Und er meinte dann, dass genau das ist, was die Produktion und er in positiver Weise bezweckt. Es ist ein Wachstum des Geschäfts. Durch die Investition konnte ich meine Fähigkeiten bzw. Möglichkeiten erweitern. Diese könnte ich wiederum bei der Arbeit für das Unterhaltungsgeschäft verwenden. Und tatsächlich habe ich mit meinem Auto die Arbeit für Wrestling-Shows massiv erleichtert.
Wenn sich also jemand im Unterhaltungsbereich weigert, irgendwas „augenscheinlich total Normales“ zu tun, dann muss das nicht immer negativ sein. Aber Leute die sowas machen, sind schon Jahrzehnte im Geschäft und haben ein Fingerspitzengefühl für das Geschäft entwickelt.
Ich habe großen Respekt vor Leuten die hauptberuflich Wrestling-Shows promoten. Wenn jemand schon wegen einer fehlenden Dose Softdrink in die Medien geht, und dieses Verhalten ist nur die Spitze des Eisbergs, wie läuft das dann im finanziell relevanten Maßstab?
Professionalität heißt raus aus der Grauzone
Vor etwa einem Jahr habe ich angefangen mich mit anderen Produzenten und TV-Sendern auseinanderzusetzen. Die Idee war es aus Deutschland Wrestling-Material aufzukaufen und sie ähnlich wie in der RTL-Sendung „Catch up“ aufzubereiten und auszustrahlen.
Ein großes Problem daran ist die schlechte, unprofessionelle Konnektivität, die die Deutschen Pro Wrestling-Ligen bieten. Werden beispielsweise während eines Wrestling-Kampfes drei Worker im Ring aufgenommen, dann muss klipp und klar ein Vertrag vorliegen, dass diese Worker mit der Verbreitung der Aufnahme einverstanden sind, wie die Bezahlung und die Tantiemen geregelt sind. Ist dies nicht geregelt, kann eine Veröffentlichung strafrechtlich relevant sein, zum anderen können enorme finanzielle Forderungen entstehen.
Nehmen Wir das Softdrink-Beispiel! Der Worker entdeckt, dass mit ihm auf Video on Demand oder einem Netzwerk, oder im Fernsehen mit seiner Arbeit Geld verdient wird. Wurde das schriftlich vereinbart? Warum bekommt der Worker keinen Anteil von der Veröffentlichung/Ausstrahlung? Die Promotion westside Xtreme wrestling hat den Schritt gewagt, und verdient kommerziell Geld mit einem eigenen Netzwerk aus einer Grauzone heraus. Ich hätte davor Angst, denn es braucht nur eine Person querzuschiessen, mit der es keine vernünftigen Verträge gibt.
Diese Grauzone muss verlassen werden, damit eine Transformation zur Professionalität des Deutschen Pro Wrestling gut verlaufen kann. Mit einer professionellen Konnektivität werden auch außenstehende Firmen und andere professionelle Wrestling-Netzwerke in Deutsche Wrestling-Promotions investieren.
Slinky